Herr Riepe, ich mache mir Sorgen um den Gemütszustand der Hunde in Deutschland.
Mit Recht!
Ständig jammern die Menschen über Burnouts oder Depressionen, alles sei so anstrengend. Für Hunde muss es doch viel schlimmer sein: Verkehrslärm, ewiger Erziehungsterror, allgemeine Fremdbestimmtheit. Sie sind Hundepsychologe, gibt es mehr depressive Hunde als früher?
Ja, die Depressionen haben in den letzten Jahren sehr zugenommen.
Woran liegt das?
Vor allem an den Erziehungsmethoden. Ein Hund müsste eigentlich ein wesentlich lockereres, entspannteres Leben führen als das, was wir ihm heute bieten. Aber wir wollen, dass er funktioniert. Damit die Nachbarn nicht sagen können: Der Hund ist ja unerzogen.
Warum lässt man den Hund nicht einfach Hund sein?
Unsere Gesellschaft entwickelt sich immer mehr zum Perfektionistentum. Der Mensch lebt nur noch von Tipps. Ich saß mal beim Arzt und schlug eine Zeitung auf - da gab es Tipps, wie man sich im Winter anziehen muss. Da war ein nackter Mensch abgebildet, und daneben waren die Kleidungsstücke gezeigt, die er anziehen muss: Unterwäsche, T-Shirt, Pullover, Mantel und so weiter. Das empfand ich als äußerst lächerlich und fing an zu schmunzeln. Aber die Dame neben mir sagte: Wissen Sie denn, wie man sich richtig anzieht? Ich sagte: Ganz einfach, warm. Genauso ist es mit den Hunden. Da bellt mal einer, und gleich werden tausend Tipps gegeben, was zu tun ist. Überall Tipps, Tipps, Tipps. Man will einen perfekten Hund, damit überfordert man das Tier.
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QuelleWir wollen Agility machen, nicht der Hund